Sept. 29, 2016

App auf die Erfolgsspur

Basler Zeitung vom 29.9.2016

Geduldig an der Universität zu lernen, war nie sein Ding. Laurin Stoll (28) hatte sich zwar für ein Informatikstudium eingeschrieben, aber bis heute nie eine Vorlesung besucht. Stattdessen gründete er erfolgreich seine eigene IT-Firma, YooApplications. In den Büros in Basel tüfteln heute 23 Mitarbeiter.


Die Erfolgsgeschichte von Laurin Stoll nahm ihren Anfang vor vielen Jahren – auf dem Krankenbett. Ärzte verordneten dem damals 11-Jährigen wegen einer Wachstumsstörung immer wieder Ruhepausen, um sein Bein zu schonen. Während sich seine Freunde auf dem Fussballplatz austobten, brachte er sich im Selbststudium das Programmieren bei. Es entwickelte sich eine Leidenschaft. 


Als Stoll die gesundheitlichen Probleme auskuriert hatte, blieb das Interesse an Computersprachen. Er entwickelte die Software Sweepi und erwarb sich damit einen guten Ruf in der Welt der Programmierer. Die Software entfernt unnötige Dateien vom Computer und schützt die Privatsphäre. Insgesamt ist das Gratisprogramm über zwei Millionen Mal heruntergeladen worden.

Stoll programmierte, aber verdiente kein Geld. Dies sollte sich schon bald ändern. 


Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsmatur plante er, ein Informatikstudium in Angriff zu nehmen. Doch seine Pläne wurden durchkreuzt: Investoren aus Hamburg klopften an und fragten, ob er für Finanzdienstleister eine Software entwickeln könnte. Stoll

nennt es ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. Er sagt das mit der gebotenen Ernsthaftigkeit. Das Studieren überliess er anderen, gründete eine Aktiengesellschaft, schrieb einen Businessplan und stellte zwei Mitarbeiter an. YooApplications war gegründet.


Die grosse Krise

Als er die Software lancierte, folgte das Unerwartete: Die Investmentbank Lehman Brothers kollabierte und die Finanzkrise befand sich 2008 auf ihrem vorläufigen Höhepunkt. In der Finanzwelt blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Zahlreiche Finanzdienstleister gingen in Konkurs, und diejenigen, die überlebten, mussten den Gürtel enger schnallen. Die Software wurde bloss zwei Mal verkauft – viel zu selten.


Die Geldgeber waren nicht bereit, weiter in das Projekt zu investieren, und die junge Firma stand bereits vor dem Aus. Was Stoll nicht wollte, war Leute zu entlassen. Doch angesichts der schwierigen Lage war er gezwungen, eine Kündigung auszusprechen. Wie knapp YooApplications damals nicht scheiterte, weiss er heute. Wenn Stoll von dieser Zeit erzählt, wählt er seine Worte sorgfältig. Rückblickend sei er froh, dass nicht immer alles gradlinig verlaufen sei. Wie die meisten Unternehmer, spricht auch Stoll lieber über Erfolge statt Niederlagen. «Es war eine schwere Zeit, aber Misserfolge gehören zum Leben und rückblickend bin ich froh über diese Erfahrung, denn sie hat die Entwicklung angestossen, die uns dorthin gebracht hat, wo wir heute sind.» Jetzt oder nie, habe er sich gesagt, und fing ganz unten wieder an. Um sich über Wasser zu halten, habe er Homepages für Coiffeursalons, Malergeschäfte und Elektriker programmiert.


Seine Zuversicht und seine Ausdauer zahlten sich aus, als er für den Industriekonzern ABB eine Software zur Projektplanung entwickeln konnte. Dank dieses Auftrags ist die Firma gewissermassen ein zweites Mal lanciert worden. YooApplications überlebte.  Das Unternehmen hat heute seinen Standort am Aeschenplatz. Vor dem Gebäude schwingt der «Hammering Man» rhythmisch sein Werkzeug. Nur ein kleines Schild am Hauseingang weist darauf hin, dass hier ein Basler Software-Unternehmen heranwächst. Die Büros sind nicht luxuriös ausgestattet, wie etwa beim Branchenprimus Google, dessen pompöse Standorte für Schlagzeilen sorgen. Trotzdem werden einige Klischees erfüllt, die der IT-Branche nachgesagt werden. An der Wand hängt ein Poster eines Energiedrinks, im Aufenthaltsraum steht ein Töggelikasten und am Fernseher ist eine Playstation angeschlossen. Es herrscht eine Atmosphäre, die Kreativität anregen soll.


Wer die Mitarbeiter danach fragt, an was sie arbeiten, hört den englischen Ausdruck «user experience design». Sie versuchen, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine zu sein. Also Applikationen und Software so zu gestalten, dass sie für Nutzer intuitiv und einfach zu bedienen sind. Stoll betont oft, dass mit der zunehmenden Verknüpfung zwischen virtueller und realer Welt dieses Segment zuverlässig wachse. Ihr Wert im Vergleich zur Konkurrenz aus Billiglohnländern wie Rumänien, Polen oder Indien wird daran gemessen, dass sie von der Idee bis zur Umsetzung nah am Kunden seien. Denn im Wettbewerb um tiefe Preise, der vor allem bei der Entwicklung herrscht, könnten und wollten sie nicht mithalten. Trotz den höheren Lohnkosten entwickelt YooApplications bis dato alle Produkte in Basel. Zu den zahlreichen namhaften Kunden zählen unter anderem ABB, der FC Basel, Coop, Ricola oder die Schweizerische Bankiervereinigung.


Der Gewinn wird verteilt

Laurin Stoll besitzt etwas mehr als die Hälfte der Kapitalanteile an YooApplications. Der Rest gehört zwei weiteren Mitgründern, die immer noch im Unternehmen tätig sind. Auch die damaligen Investoren sind noch beteiligt und sitzen heute im Verwaltungsrat. Zum Umsatz und Gewinn werden keine konkreten Angaben gemacht. Immerhin sagt Stoll, dass sich der Umsatz im einstelligen Millionenbereich bewege. Er betont, dass ein Teil des Gewinns gleichmässig unter den Mitarbeitern verteilt werde, und der Rest reinvestiert.


In diesem Zusammenhang erklärt Marketingchef Igor Ceric, dass die meisten Mitarbeiter nicht wegen des Geldes

bei YooApplications arbeiten würden. Die meisten dürften in IT-Abteilungen von Grosskonzernen deutlich mehr verdienen.

Sie würden jedoch das Klima  schätzen, das für Jungunternehmen in der IT-Branche typisch sei, sagt Ceric. Die Belegschaft besteht vorwiegend aus Männern, das Durchschnittsalter liegt etwa bei 30 Jahren. Für Laurin Stoll lässt sich ein wesentlicher Teil des Erfolgs an einer einfachen Zahl festmachen: YooApplications sucht bereits nach drei neuen Mitarbeitern.

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